HIV – weltweit, in Deutschland und in der Oberpfalz

Eine Standortbestimmung zum Jahreswechsel 2015/2016! 

Ende 2015 wird wie jedes Jahr am 1. Dezember der Welt-Aidstagbegangen. Die großen Aids-Organisationen nehmen diesen Anlaß als Gelegenheit, aktuelle Daten zur HIV-Epidemie zu veröffentlichen und so hat auch die UNAIDS ihren neuen Bericht zur globalen Situation veröffentlicht:

36,9 Millionen HIV-Infizierte und Millionen von Neuinfektionen und Tote – was auf den ersten Blick schlimm aussieht und natürlich auch schlimm ist, offenbart allerdings auf den zweiten Blick, wenn man etwas genauer hinschaut, sehr deutliche Anzeichen dafür, dass die HIV-Epidemie in nicht mehr sehr ferner Zukunft unter Kontrolle gebracht werden kann.

In dieser Grafik ist deutlich zu erkennen, dass sowohl die Anzahl der Neuinfektionen als auch die Anzahl der Aids-Toten in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen ist: Abnahme der Anzahl der Aids-Toten um 40 % seit 2008, Abnahme der Neuinfektionen um 40 % seit dem Jahr 2000. Diese Entwicklung ist wirklich ermutigend , denn eine Fortsetzung dieses Abwärtstrends würde bedeuten, dass sowohl die Anzahl der Neuinfektionen als auch die Anzahl der Aids-Toten in nicht ganz ferner Zukunft auf Nahe Null absinken könnte. Daher spricht die UNAIDS ganz offen vom Ziel, die HIV-Epidemie bis zum Jahr 2030 beenden zu wollen.

Was ist passiert, dass die UNAIDS solchen Optimismus an den Tag legt?

Hintergrund ist zum einen die seit ca. 20 Jahren äußerst erfolgreich verlaufende Entwicklung der medikamentösen antiretroviralen Therapie. HIV-Infizierte, die möglichst frühzeitig mit den Medikamenten beginnen, bleiben trotz HIV-Infektion gesund, denn diese Medikamente verhindern, dass sich das HI-Virus noch nennenswert vermehren kann. Das Immunsystem kommt dann mit einer geringfügigen Virusvermehrung gut klar, so dass die Zahl der HI-Viren im Körper auf nahe Null absinkt. Das Immunsystem bleibt stabil und gesund oder kann sich – bei schon stattgefundener Schwächung – auch wieder gut erholen. HIV-Infizierte dürfen bei frühzeitiger Therapieeinleitung daher mit einer normalen Lebenserwartung rechnen. Sie bleiben gesund und arbeitsfähig und können auch ein hohes Alter als HIV-Infizierte erreichen.

Der zweite Hintergrund ist die Erkenntnis, dass die Medikamente auch einen sehr großen Beitrag für die Prävention leisten können. Wir schon dargestellt bewirken die Medikamente ein Absinken der Anzahl der HI-Viren auf nahe Null – so wenige, dass davon ausgegangen werden kann, dass keine Infektiösität mehr besteht. Seit 2008 wird dies öffentlich diskutiert und seither gibt es immer mehr Belege dafür, dass sich dies bestätigt. Die medikamentöse Behandlung eines HIV-Infizierten schützt daher nicht nur die Gesundheit des Infizierten, sie verhindert auch eine Weiterverbreitung des HI-Virus.

Aber:

  1. Die Behandlung setzt voraus, dass die HIV-Infektion vorher diagnostiziert wird. HIV-Infizierte, die noch nicht getestet sind, profitieren also nicht vom medizinischen Fortschritt.
  2. Der Behandlungserfolg setzt voraus, dass HIV-Infizierte Zugang zu den Medikamenten haben. Dies ist sicher in Deutschland und den anderen entwickelten Industrienationen eine Selbstverständlichkeit, für große Teile Afrikas aber immer noch eine Herausforderung.

Die UNAIDS hat daher folgende Ziele für das Jahr 2020 ausgegeben: 90 – 90 – 90 bedeutet dabei, dass die UNAIDS als Ziel hat, dass mindestens 90 % der HIV-Infizierten getestet sind, so dass ihre Infektion auch tatsächlich diagnostiziert und einer Behandlung zugänglich ist. Mindestens 90 % der HIV-positiv Getesteten sollten Medikamente bekommen und davon wieder sollten mindestens 90 % den gewünschten Behandlungserfolg tatsächlich erreichen – also eine Virusmenge nahe Null.

Für 2030 wurde die Zielsetzung noch einmal verschärft auf: Damit wird auch deutlich, dass eine Beendigung der HIV-Epidemie nicht einfach herbeigewünscht werden soll, sondern über ein höchst ambitioniertes Maßnahmenpaket erarbeitet werden muss.

Wie ambitioniert dieses Paket ist wird deutlich, wenn man vergleicht, wo wir in Deutschland stehen. Nach den vom Robert-Koch-Institut veröffentlichten Zahlen sind in Deutschland derzeit ungefähr 80 % der HIV-Infizierten getestet und damit diagnostiziert und von den Diagnostizierten sind ein wenig mehr als 80 % in Behandlung – damit wird bei beiden Werten die Zielsetzung der UNAIDS deutlich verfehlt. Nur beim Behandlungserfolg ist vermutlich die Zielsetzung von 90 % oder gar 95 % bereits heute erreicht.

In Deutschland können wir uns schon seit vielen Jahren darüber freuen, dass die Zahl der HIV-Infizierten, die an den Folgen von Aids sterben, durch die guten Medikamente sehr deutlich verringert werden konnte. Die Anzahl der Neuinfektionen bleibt aber seit Jahren  konstant bei ca. 3200 so dass insgesamt eine Zunahme der Anzahl der HIV-Infizierten auf 83 500 Ende 2014 festgestellt werden kann.

Um die Zahl der Neuinfektionen entscheidend zu verringern, ist auch in Deutschland ein entschlossenes Umsetzen der Maßnahmen notwendig, wie sie von der UNAIDS benannt wurden. Das bedeutet:

Die Aufklärung der Bevölkerung, insbesondere der Jugendlichen und jungen Erwachsenen, über Infektionswege bzw. Möglichkeiten des Schutzes ist weiter dringend geboten! Kondome schützen bei sexuellen Kontakten, steriles Spritzbesteck schützt beim intravenösen Konsum von Drogen – diese Botschaften haben nichts von ihrer Aktualität verloren!

Die Arbeit für Solidarität und gegen Stigma und Diskriminierung ist ebenfalls unvermindert fortzusetzen bzw. noch zu intensivieren. Stigma und Angst vor Diskriminierung sind häufig die Ursache dafür, dass Menschen den Gang zum Arzt scheuen, um sich testen oder behandeln zu lassen. Stigma und Diskriminierung sind also für fehlenden Behandlungserfolg und fehlendem Präventionserfolg mitverantwortlich.

Testangebote müssen kundenfreundlich ausgebaut werden und über Testkampagnen muss dafür geworben werden, dass Menschen frühzeitig nach einem Risiko zum HIV-Test gehen. Nur so kann verhindert werden, dass das HI-Virus Schaden anrichtet.

Über HIV-spezifische medizinische und psychosoziale Versorgung muss sicher gestellt werden, dass der Behandlungserfolg sich einstellt und auch dauerhaft aufrecht erhalten bleibt.

Die Botschaft der UNAIDS zum Welt-Aids-Tag 2015 ist: wir können die Verbreitung von HIV stoppen. Dies ist keine Entwarnung vor HIV, denn das HI-Virus hat nichts an Gefährlichkeit eingebüßt. Es ist stattdessen ein Aufruf, die zur Verfügung stehenden Mittel gegen HIV konsequent einzusetzen.

 

In der Oberpfalz leben nach Schätzungen der Aids-Beratungsstelle Ende 2014 ca. 600 HIV-Infizierte bei etwa 20 Neuinfektionen pro Jahr. Die Aids-Beratungsstelle ist seit vielen Jahren intensiv in der Arbeit für Aufklärung und gegen Stigma und Diskriminierung engagiert. Wir beraten und helfen zahlreichen HIV-Positive und wir betreiben seit dem Jahr 2010 ein eigenes Testprojekt – den Checkpoint Regensburg.

Zum Welt-Aids-Tag 2015 starten wir eine neue Kampagne gegen Stigma und Diskriminierung mit dem Titel „Menschlichkeit verbindet“. Die
Geschichte der HIV-Aufklärung ist eng verbunden mit der Geschichte der
Anti-Diskriminierungsbewegung. Die Rote Schleife ist zum weltweit verstandenen Symbol der Solidarität mit Menschen mit HIV geworden. Solidarität funktioniert immer über Mitmenschlichkeit, Diskriminierung immer über Unterscheidung und Abgrenzung und schließlich Ausgrenzung. In dem Augenblick, in dem ich zulasse, dass mein Gegenüber bei allem Anderssein mir in meinem Menschsein sehr ähnlich ist, ausgestattet genauso mit Hoffnungen, Wünschen, Ängsten und Freuden, in dem Augenblick endet meine Bereitschaft zur Diskriminierung.

 

Diese Botschaft wurde von Schülerinnen der Akademie für Gestaltung, Regensburg, umgesetzt und aus den Arbeiten wurden verschiedene Motive für die neue Kampagne ausgewählt. Die Aids-Beratungsstelle Oberpfalz dankt der Akademie für Gestaltung für die gute Zusammenarbeit und den Schülerinnen Jana Aumüller, Lena Friesen, Carmen Sölch und Nora Neumeier für Ihre Arbeiten.

 

 

 

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