In Deutschland leben ca. 78 000 HIV-Positive, in Bayern ca. 10 000 und in der Oberpfalz ungefähr 500. So kann ein Überblick…
… über die neuen Zahlen des Robert-Koch-Instituts aussehen, die in den Tagen vor dem Welt-Aids-Tag veröffentlicht wurden (die Schätzung der Anzahl in der Oberpfalz wurde von uns ergänzt). Ist das gut, ist das schlecht, ist das Anlass für Besorgnis? Wir wollen Ihnen die aktuelle Situation kommentieren und auch die Situation in der Oberpfalz etwas näher betrachten.
Die Zahl der Menschen, die als HIV-Positive in Deutschland leben, steigt seit Jahren an, wie die Grafik der sogenannten HIV-Prävalenz zeigt: Ende 2012 ist mit ca. 78 000 HIV-Positiven in Deutschland eine neue Höchstmarke erreicht worden. Alleine im Jahr 2012 kamen rund 3400 Neuinfektionen dazu, ca. 500 HIV-Positive sind im Jahr 2012 verstorben (die Mehrheit davon allerdings nicht an Aids, sondern an anderen Todesursachen). Diese Zahlen dokumentieren zugleich eine wunderbare und eine besorgniserregende Entwicklung in Deutschland.
Die wunderbare Entwicklung besteht darin, dass die Zahl der Menschen, die an Aids verstorben sind, im Jahr 2012 dank der Medikamente um rund 90 % gegenüber 1995 gesunken ist. Die besorgniserregende Entwicklung liegt in der Zahl der Neuinfektionen, die mit 3400 so hoch ist, wie seit über 20 Jahren nicht mehr. Unter dem Strich ergibt sich eine Zunahme von rund 3000 HIV-Positiven allein in 2012. Der große Erfolg der Medikamente wird also überschattet von der wachsenden Zahl der Neuinfektionen, auch wenn an dieser Stelle darauf hingewiesen werden darf, dass die Zahl der Neuinfektionen in Deutschland im internationalen Vergleich nach wie vor als sehr niedrig gilt.
Auch über 30 Jahre nach Beginn der Epidemie gilt in Deutschland immer noch, dass das Risiko einer Infektion sehr ungleichmäßig auf die Bevölkerung verteilt ist. Rund drei Viertel der Neuinfektionen werden bei Männern gefunden, die sexuelle Kontakte mit Männern haben (Fachausdruck: MSM), rund ein Fünftel der Neuinfektionen passieren bei ungeschützten heterosexuellen Kontakten. Die HIV-Infektionen, die beim intravenösen Drogenkonsum passieren, wenn unsteriles Spritzbesteck verwendet wird, das vorher von einem HIV-infizierten Drogengebraucher benutzt wurde, liegen mit ca. 210 Neuinfektionen ungefähr auf dem Niveau der Vorjahre und damit auf dem niedrigsten Stand seit Anfang der Epidemie. Übertragungen von der Mutter auf das Kind sind zum Glück selten, da das Kind einer HIV-infizierten schwangeren Frau durch Medikamente und eine gute medizinische Versorgung fast sicher geschützt werden kann. Die Mutter-Kind-Infektionen, die immer noch passieren, sind fast ausschließlich bei Frauen aufgetreten, die erst sehr spät in der Schwangerschaft oder sogar erst nach der Geburt des Kindes von der HIV-Infektion erfahren haben, so dass ein effektiver Schutz des Kindes war nicht mehr möglich war.
Für fast alle Neuinfektionen gilt, dass sie unabhängig vom Infektionsweg vermeidbar gewesen wären. Das ist sicherlich eine zugleich gute wie schlechte Nachricht.
Gut ist, dass niemand schutz- und hilflos den Risiken einer HIV-Infektion ausgesetzt ist – im Gegenteil. Wir wissen sehr gut, wie man sich schützen kann (siehe Kasten), denn nach wie vor gelten die „alten goldenen“ Regeln des „Safer Sex“ und „Safer Use“. Schlecht ist aber, dass trotzdem noch so viele Neuinfektionen passieren, obwohl sie so leicht zu vermeiden sind. Möglicherweise sind manche Menschen müde geworden, immer auf HIV aufpassen zu sollen, andere haben die Nachrichten über gute Medikamente als Entwarnung mißverstanden und wieder andere verdrängen das Risiko oder nehmen es erst gar nicht als Risiko wahr.
Wir sind daher ganz froh, dass neben den klassischen Botschaften der Aids-Prävention in den letzten Jahren auf der Basis neuer Erkenntnisse weitere Präventionsbotschaften entwickelt werden konnten.
Die wichtigste neue Botschaft lautet: allen Menschen, die in der Vergangenheit ein Infektionsrisiko hatten (z. B. ein ungeschützter Geschlechtsverkehr), ist dringend zu empfehlen, dass sie sich auf HIV-testen lassen. Wenn dann eine HIV-Infektion festgestellt wird, ist sicher gestellt, dass dieser Mensch rechtzeitig medikamentöse Hilfe zum Schutz seiner Gesundheit erhalten kann. Diese Medikamente erreichen, dass der HI-Virus sich kaum mehr vermehren kann. Dadurch wird nicht nur der Infektionsverlauf, sondern auch die Infektiösität so gut wie gestoppt oder in einfachen Worten: HIV-Positive, die Medikamente erhalten, bleiben gesund und geben den Virus nicht weiter.
Das Robert-Koch-Institut sagt uns, dass in Deutschland rund 15 000 HIV-Infizierte gar nicht wissen, dass sie HIV-infiziert sind. Nach unserer Erfahrung würde bei den meisten dieser 15 000 HIV-Infizierten ein akuter Behandlungsbedarf bestehen, damit die eigene Gesundheit geschützt und erhalten bleibt. Dass dabei auch Neuinfektionen verhindert werden könnten ist ein Nebeneffekt, wenn auch ein sehr willkommener.
Menschen, die sich für einen Lebensstil entschieden haben, der laufend Übertragungsrisiken beeinhaltet (z.B. schwule Männer, Swinger, Menschen mit häufig wechselnden Sexualpartnern – insbesondere, wenn Kondome nicht durchgängig verwendet werden) ist dringend zu raten, sich nicht nur einmal, sondern immer wieder in kürzeren Abständen – z.B. halbjährlich oder jährlich – auf HIV testen zu lassen. Es ist zwar empfehlenswert, eine HIV-Infektion durch das eigene Verhalten zu vermeiden, aber darüber hinaus sollte der HIV-Test selbstverständlicher Bestandteil eines verantwortungsbewussten Umgangs mit sich und den Infektionsrisiken sein.
In Bayern leben rund 10 000 HIV-Positive und inhaltlich gilt für Bayern natürlich alles, was bisher für ganz Deutschland festgestellt wurde.
Für die Oberpfalz rechnen wir mit rund 500 HIV-Positiven. Auf der Basis verschiedener Datenquellen, unter anderem einer eigenen Fragebogenuntersuchung, haben wir Ende 2008 errechnet, wie sich die damals geschätzten HIV-Positiven regional auf die Oberpfalz verteilt haben. Wir denken, dass diese Verteilung auch heute noch gilt, lediglich die einzelnen Zahlen haben um ca. 20 % zugenommen. Damit ergibt sich zum Ende 2012 folgende regionale Verteilung:
- Stadt und Lkr. Regensburg rund 280 HIV-Positive
- Lkr. Neumarkt rund 40 HIV-Positive
- Lkr. Cham rund 25 HIV-Positive
- Lkr. Schwandorf rund 30 HIV-Positive
- Amberg mit Lkr. Amberg-Sulzbach rund 60 HIV-Positive
- Weiden mit Lkr. Neustadt/WN rund 55 HIV-Positive
- Lkr. Tirschenreuth rund 10 HIV-Positive.
Diese Angaben sind als Größenordnungen zu verstehen, die wir auf der Basis von Daten, aber auch unserer Erfahrungen errechnet haben.
Die Präventionsempfehlungen wie oben für Deutschland dargestellt gelten natürlich auch für die Oberpfalz und wir weisen ausdrücklich auf unser eigenes Testangebot hin. Immer am zweiten Mittwoch des Monats von 18.00 Uhr bis 20.00 Uhr bieten wir im
den HIV-Schnelltest an. Sie können sich kostenlos und anonym beraten lassen, der Test kostet 26 Euro und ist ebenfalls anonym. Bei Bedarf können auch andere sexuell übertragbare Infektionen getestet werden. Weitere Informationen finden Sie hier.
Nutzen Sie die sehr gute medizinische Situation in Deutschland, die es jedem Menschen ermöglicht, sich einfach und kostenlos (der Labortest bei allen Gesundheitsämtern) oder kostengünstig (der Schnelltest bei uns) auf HIV testen zu lassen. Ein negatives Testergebnis erleichtert und gibt Sicherheit, ein positives Testergebnis macht keine Infektion, sondern zeigt sie nur an. Die Alternative zum positiven Testergebnis ist daher nicht „ich bin nicht infiziert“, sondern lediglich „ich weiß nicht, dass ich infiziert bin“. Wenn ich aber weiß, dass ich infiziert bin, kann ich mich darauf verlassen, dass ich gute und effektive Hilfe bekomme und dauerhaft gesund bleiben kann.