In Amerika Schnelltest als Heimtest zugelassen

Die FDA, die in Amerika für Arzneimittelzulassungen zuständige Behörde, hat am 3. Juli 2012 den sogenannten OraQuick In-Home HIV Test zum freien Verkauf zugelassen. Damit ist dieser Test demnächst für alle Menschen ab einem Alter von 17 Jahren in Drogerien oder auch online erhältlich.

 

Die amerikanische Behörde verspricht sich von dieser Zulassung, dass die Zahl der Menschen, die HIV-infiziert sind, aber noch keinen Test gemacht haben, also selbst nichts von der Infektion wissen, deutlich reduziert werden kann. Dies hat nicht nur die Auswirkung, dass diese Menschen sich in medizinische Behandlung begeben und somit ihre Gesundheit aufrecht erhalten können. Man verspricht sich davon auch deutliche Fortschritte für die Prävention, denn HIV-Infizierte, die eine medikamentöse HIV-Therapie erhalten, sind deutlich weniger infektiös (in einer Studie wurde ein Schutzfaktor in Höhe von 96 % herausgefunden).

 

Als problematisch stellt die FDA heraus, dass der OraQuick In-Home HIV Test sowohl falsch positive als auch falsch negative Testergebnisse produziert:

 

  1. es ist davon auszugehen, dass je 5000 Tests von tatsächlich nicht HIV-infizierten Menschen ein falsch positives Testergebnis zustande kommt.
  2. es ist davon auszugehen, dass jede zwölfte HIV-Infektion übersehen wird

 

Die FDA macht daher darauf aufmerksam, dass jedes positive Testergebnis durch einen regulären Test bestätigt werden muss und ein negatives Testergebnis aus unterschiedlichen Gründen nicht unbedingt richtig sein muss.

Der Test soll in den USA vermutlich etwas unter 20 Euro kosten.

 

Kommentar von Hans-Peter Dorsch, Leiter der Aids-Beratungsstelle Oberpfalz:

 

Nicht nur in den USA, auch in Deutschland wissen ungefähr 20 % der HIV-Infizierten nichts von ihrer Infektion, weil sie sich noch nicht haben testen lassen. Dies kann für die Infizierten, aber auch für ihre Sexualpartner schlimme Auswirkungen haben. Wir von der Aids-Beratungsstelle Oberpfalz begrüßen daher prinzipiell alle Überlegungen, wie es erreicht werden kann, dass sich Menschen, die mehr oder weniger oft Infektionsrisiken eingegangen sind, einem HIV-Test unterziehen. Wir bieten selbst seit 2010 den sogenannten HIV-Schnelltest immer am zweiten Mittwoch des Monats im Praxiszentrum Alte Mälzerei an, weil wir den Menschen in der Oberpfalz die Gelegenheit bieten wollen, sich nach qualifizierter Beratung testen zu lassen und bereits nach 30 Minuten das Ergebnis des Tests zu erfahren.

Die Zulassung des OraQuick In-Home HIV Test sehen wir gleichwohl kritisch und die Gründe sind leicht und kurz wiederzugeben:

  1. es werden viel zu viele HIV-Infektionen übersehen! Eine typische Frage nach dem Test lautet “ kann ich mich auf dieses HIV-negative Testergebnis verlassen?“. Beim OraQuick In-Home HIV Test müssten wir immer mit „Nein“ antworten.
  2. Viele Menschen, die sich mit dem OraQuick In-Home HIV Test testen werden, haben zwar Ängste, aber nicht unbedingt ein großes Infektionsrisiko. Daher bedeutet die scheinbar so geringe Zahl von einem falsch HIV-positiven Testergebnis je 5000 Tests, dass ein positives Testergebnis sich in der Mehrzahl beim Nachtest nicht bestätigen wird (wer genau wissen will, warum das so ist, kann gerne bei Herrn Dorsch nachfragen!). Wir befürchten, dass dies dem Selbsttester so nicht wirklich bewusst ist, wenn er keinen erfahrenen Berater zur Seite hat.
  3. Der Wert des HIV-Tests für die Prävention entfaltet sich erst im Zusammenhang mit Beratung. Um für mein Leben die richtigen Konsequenzen zu ziehen muss ich genau wissen, welche Infektionsrisiken ich in der Vergangenheit eingegangen bin und wie in diesem Zusammenhang das Ergebnis des Tests zu bewerten ist. Da die meisten Menschen sich nicht vertieft mit HIV beschäftigt haben, wenn sie einen HIV-Test veranlassen, ist das Wissen für diese Bewertung in der Regel nicht vorhanden und es besteht die Gefahr, dass der Home Test im schlimmsten Fall Neuinfektionen begünstigt.
  4. Wir brauchen bei uns den OraQuick In-Home HIV Test schlichtweg nicht: jeder Mensch in Bayern kann sich kostenlos und anonym in allen Gesundheitsämtern testen lassen und zusätzlich gibt es die kostenpflichtigen Schnelltestangebote der städtischen Gesundheitsämter in Nürnberg und München sowie der Aids-Hilfen in Nürnberg und München und der Aids-Beratungsstelle in Regensburg (Preisspanne 20 – 26 Euro). Bei uns ist es also möglich, sich zum Preis des Home-Tests nicht nur den Test, sondern zugleich eine qualifizierte Beratung einzukaufen.

 

Die USA gehen diesen neuen Weg, weil dort jährlich ca. 50 000 Neuinfektionen festgestellt werden. Das ist auch unter Einrechnung der deutlich höheren Bevölkerungszahl etwa vier Mal so hoch wie in Deutschland. Diese Notlage scheint dazu zu führen, dass sie bereit sind, auch offensichtliche Nachteile und Schwachstellen dieses Angebots in Kauf zu nehmen.

 

Wir sehen trotzdem auch ein paar gute Signale in der Zulassung des Home-Tests durch die FDA

  1. es braucht auch bei uns deutlich mehr Anstrengungen, niedrigschwellige Testangebote auszubauen.
  2. Die Zulassung des Home-Tests kann auch als ein weiterer Schritt auf dem Weg der zunehmenden Normalisierung von HIV/Aids verstanden werden. Noch vor Jahren wurde argumentiert, dass ein HIV-positives Testergebnis so gravierend ist, dass es keinem Menschen zuzumuten ist, zu Hause und somit alleine damit klarzukommen. Mit den modernen medizinischen Behandlungsmöglichkeiten hat Aids so an Schrecken verloren, dass es plötzlich möglich wird, im Store um die Ecke neben Shampoo und Kaugummi den HIV-Home-Test in den Einkaufswagen zu legen. Es wäre zu hoffen, dass dieses Signal dazu führt, dass Mancher, der bisher Angst vor dem Test hatte, sich nun traut, sich nach fachkundiger Beratung einem HIV-Test zu unterziehen!

 

Übrigens: in Deutschland ist der Home-Test gesetzlich verboten!

 

Weitere Informationen:

Stellungnahme der Deutschen Aids-Hilfe: http://www.aidshilfe.de/de/aktuelles/meldungen/die-zulassung-der-hiv-heimtests-den-usa-ist-ein-ausdruck-der-verzweiflung

Informationsblatt der FDA zum Home Test: http://www.fda.gov/downloads/ForConsumers/ConsumerUpdates/UCM310563.pdf?utm_campaign=Google2&utm_source=fdaSearch&utm_medium=website&utm_term=home

 

 

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